Regelbauten des Atlantikwalls
Atlantikwall - 2.685 Kilometer und 8.000 Bunker
Am 14. Dezember 1941 forderte Hitler einen „Gürtel von Bollwerken“, um die fast 5000 Kilometer lange Atlantikküste zu schützen. Knapp ein halbes Jahr zuvor (am 22. Juni 1941) griff Deutschland die UDSSR an. Dabei hatte man jedoch nicht mit dem erbitterten Widerstand der Roten Armee gerechnet. Als dann im Dezember 1941 auch noch die USA in den Krieg eintrat, befürchtete Hitler einen Zweifrontenkrieg – nämlich andauernde Kriegshandlungen im Osten und eine Invasion alliierter Truppen im Westen. Wie konkret diese Befürchtungen waren zeigte sich bereits im August 1942: Kanadische Truppen versuchten bei Dieppe in Frankreich einen Landungsversuch. Die Wehrmacht konnte diesen zwar zurückschlagen. Doch spätestens jetzt war jedem im Führerhauptquartier, dass eine schnelle und effektive Sicherung der Atlantikküste hohe Priorität haben muss. Nur wenige Tage nach dem Landungsversuch befahl daher Generalfeldmarschall von Rundstedt die Befestigung der gesamten Atlantikküste zu einem „Atlantikwall“.
Es galt, eine fast 5000 Kilometer lange Küste zu sichern und das in kurzer Zeit. Ein gigantisches Unterfangen – nicht nur für die Bautrupps, sondern auch für die Planer, die unter extremen Zeitdruck standen. Unabhängig davon waren die Ressourcen zur Errichtung dieses Bauvorhabens kann. Arbeiter standen nicht zur Verfügung, weil wehrfähige Männer an der Front waren. Die Architekten mussten eine Lösung finden. Sie setzten auf das Konzept, mit einer Art Baukasten unterschiedlichster Bunkertypen zu arbeiten – den Regelbauten. Denn es bestand gar nicht die Zeit, um für jeden zu sichernden Küstenabschnitt individuelle Lösungen zu finden. Außerdem konnte man mit diesem Prinzip bereits beim Bau des Westwalls in den Jahren 1936 bis 1939 gute Erfahrungen sammeln.
Bei Regelbauten handelt es sich um standardisierte Bunker. Es konnte direkt nach der Entscheidung, welches Bauwerk gebraucht wird, direkt mit den Bauarbeiten begonnen werden. Die notwendigen Bauzeichnungen lagen vor, gleiches gilt für Angaben zum Materialbedarf. Außerdem war bekannt, in welcher Zeit der Bunker errichtet werden kann. Trägt man die Informationen wiederum für alle Standorte zusammen, kann man den Fertigstellungstermin des jeweiligen Abschnittsberechnen.
Problematisch war in dem Zusammenhang allerdings, dass sie das Heer und die Marine (beide waren für den Einsatz am Atlantikwall geplant) sich nicht einig waren. Jeder bestand auf die von ihm präferierten Regelbauten bzw. setzte teilweise auch auf neue Entwicklungen, die den jeweils anderen jedoch nicht überzeugten. Wenn jedoch (dann irgendwann einmal) die Entscheidung für Bunkertyp und Position im Gelände gefallen war, ging das Übrige recht schnell. Baukolonnen konnten unmittelbar mit dem Erdaushub beginnen. Die Bauzeit richtete sich natürlich nach der Größe des Bunker – ist klar. Die sogenannten Widerstandsnester konnten innerhalb von 3 bis 5 Wochen errichtet werden. Bei mittleren Gefechtsständen musste man 10 bis 12 Wochen veranschlagen.
Wie bereits gesagt war der Einsatz von Regelbauten letztlich der Einsatz eines Baukastens. Basis dafür war die „Vorschrift zum Bau ständiger Befestigungen“, an der die Heeresleitung seit 1933 arbeitete. Diese regelte u.a. die Ausbaustärke – damit ist die Wand- und Deckenstärke der jeweiligen Bunker gemeint.
Einige Impressionen aus dem Inneren eines Regelbaus 108b wie er heute noch beim Westwall zu besichtigen ist.
Weitere Aufnahmen: folge dem Link.
Man könnte annehmen, dass es nur wenige Regelbauten gibt. Immerhin ist es ein Baukasten. Falsch. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Typen. Doch selbst das war noch effektiver anstatt für jede Geländesituation einen speziellen Bunker eigens konstruieren zu müssen. Wie schon gesagt: Wenn der Pioniertrupp, der mit der Erkundung des Geländes beauftragt war, einmal die Position und den zu nutzenden Regelbau festgelegt hat, konnten die Bauarbeiten direkt beginnen. Denn für den Bau selbst war damit alles definiert.
Um die einzelnen Regelbauten zu unterscheiden, hat man sie einfach durchnummeriert - was auch sonst. Je nach Entwicklungsstufe unterscheidet man zwischen einzelnen Serien. Demnach gibt es die 100er- oder 200er-Serien. Die Reihe geht bis zur 600er-/700er-Serie. Insbesondere die Bunker der 600er-Serie wurden beim Atlantikwall zum Einsatz gebracht.
Das Konzept, auf standardisierte Bunkertypen zu setzen, wurde erstmals bei der Errichtung des Westwalls angewendet. Dabei handelt es sich also um Konstruktionen, die fast ausschließlich vom Heer genutzt wurden, weil sich andere Waffengattungen an der Verteidigung des Westwalls nicht im nennenswerten Umfang beteiligen sollten. Diese Typen sind nur nummeriert, sonst nichts. Häufig haben Sie am Ende einen kleinen Buchstaben. Dazu gleich mehr.
Spätere Entwicklungen für den Atlantikwall beziehungsweise spezielle Entwicklungen für die Marine oder die Luftwaffe wurden dadurch gekennzeichnet, dass man ihnen einen entsprechenden Buchstaben vorwegstellte. Ein Beispiel: Der Regelbau 120 ist beispielsweise ein Artillerie-Beobachtungsstand mit Panzerturm, den das Heer nutzte. Die Version M120 jedoch wurde der Marine zugeordnet. Es war ein Beobachtungs- und Leitstand – diesmal jedoch für eine 17-cm-Batterie. Es war also eine Abwandlung des zuerst genannten 120er.
Folgende Kennzeichnungen wurden verwendet – einige Beispiele:
Regelbauten ohne einen Buchstaben vorweg wurden dem Heer zugeordnet.
M = Marine – mittlere Marinebatterien
Fl = Marine – Marineflakbatterien
V = Marine – spezielle Bunker wie Kommandobunker
S = Marine – schwere Marinebatterien
L = Luftwaffe
Unabhängig von der Typenbezeichnung der Regelbauten (also zum Beispiel M120) findet man am Ende der Bezeichnung häufig auch noch einen (kleingeschriebenen) Buchstaben. Dieser wiederum gibt Auskunft über die Ausbaustärke des Bunkers. Damit ist die Wand- und Deckenstärke gemeint.
Eine Abschnitte zuvor stellte ich Dir kurz den 108b vor. Die Kennzeichnung besagt: (1) Kein Buchstrabe vorweg = Heer, 108 = Typ des Regelbaus (in dem Fall ein Mannschaftsbunker mit zwei Kampfständen) und b besagt, dass die Wände eine Ausbaustärke von bis zu 2 Metern haben.
Es gibt noch weitere Ausbaustärken – einige Beispiele:
Ausbaustärke a = 3,5 Meter
Ausbaustärke b = 2,0 Meter
Ausbaustärke c = 0,6 Meter
Ausbaustärke d = 0,3 Meter
Wenn Du in diese Thema tiefer einsteigen möchtest, empfehle ich Dir folgende Homepage. Sie ist leider dänisch, aber gut sortiert und dennoch verständlich.
Typologie der Regelbauten und deren Anzahl
Es ist selbstredend: Der West- als auch der Atlantikwall bestanden aus einer Vielzahl unterschiedlicher Bunkertypen. Auch wenn Mannschaftsunterstände sowie die Kampf- und Schartenstände besonders häufig errichtet wurden, bedarf es etlicher weiterer Typen - jeweils auf ihre Funktion hin optimiert. Wenn man bei den Regelbauten von einem Baukasten spricht, bezieht sich das eigentlich auf die eben genannten Typen. Sie gab es in großer Vielfalt und Stückzahl. Im Gegensatz dazu gewinnt man bei anderen Bauten hingegen den Eindruck, dass es sich nicht selten um "Einzelstücke" handelt. Sie gelten zwar als Regelbauten, wurden aber nur 1 oder 2x errichtet.
Mannschaftsunterstände: 17 verschiedene Regelbauten. Bei den Mannschaftsunterständen waren die Typen 501 und 502 (sie kamen bereits mit hoher Stückzahl beim Westwall zum Einsatz) und die neu entwickelten Gruppenunterstände 621 und 622 besonders häufig zum Einsatz. Sie wurden allein in Frankreich in hundertfacher Ausfertigung errichtet. Grob geschätzt kann man sagen, dass ungefähr die Hälfte aller Regelbauten des Atlantikwalls in diese Kategorie fallen.
Munitionsunterstände: Diese Unterstände unterscheiden sich - in Abhängigkeit von der dort zu lagernden Munition - erheblich. Die Heeresunterstände waren vornehmlich für leichte und mittlere Munition vorgesehen, während die Unterstände der Marine überwiegend zur Lagerung der Munition großkalibriger Geschütze errichtet wurden. Entsprechend abweichend waren die Ausführungen. Alles in allem gab es 13 verschiedene Regelbauten, die zu diesem Zwecke eingesetzt wurden. Die Szenerie wurde beherrscht von den Typen 134 und 607 - beides Modelle, die schon beim Westwall zum Einsatz kamen.
Geschützunterstellräume: Diese Bunker dienten dazu, Geschützen und teilweise sogar Panzer einen sicheren "Unterschlupf" zu gewähren. Spätere Entwürfe boten dazu meist nur einen einzigen Raum, in dem mehrere kleine Geschütze untergestellt werden konnten. Alles in allem gab es 10 unterschiedliche Bauausführungen. In Frankreich wurden davon weniger als 100 Bunker errichtet.
Unterstände für Maschinen und Scheinwerfer: Beide Typen wurden immer in der Nähe von Küstenbatterien oder Flakbatterien errichtet. Da nicht alle Festungen des Atlantikwalls mit Radar ausgestattet waren, benötigte man die Scheinwerfer, um nachts anrückende oder fliegende Objekte zu beleuchten. Überraschenderweise gab es 20 verschiedene Versionen, die jeweils aber nur in (sehr) geringer Stückzahl errichtet wurden. Dabei entfallen die meisten Varianten auf die Luftwaffe.
Sanitätsunterstände: Man sollte meinen, dass der Sanitätsunterstand nach den Mannschaftsunterständen der zweithäufigste Regelbau war, der errichtet wurde. Falsch. Vielleicht ist das aber auch nur meine eigene Blauäugigkeit. Lange Zeit kam beim Heer nur ein einziger Bautyp zum Einsatz. Erst die Marine setzte verschiedene Varianten ein - meist für größere Hospitäler, die in der Nähe von U-Boot-Stützpunkten errichtet wurden. Es gibt insgesamt 6 Typen.
Gefechtsstände: Hier gibt es große Unterschiede hinsichtlich Größe und Form. Dennoch haben alle Gefechtsstände gemeinsam, dass von ihnen aus die Streitkräfte koordiniert wurden. Deswegen errichtete man sie meist im Zentrum einer Landesverteidigungseinheit oder zentral in einer Serie von Flack- und Küstenbatterien. Es gibt 17 verschiedene Varianten, wobei meiner Ansicht nach der hochaufragende Flakgruppenkommandostand Fl 250 am spektakulärsten ist. Er wurde in Frankreich allerdings nur 2x errichtet. Die meisten Gefechtsstände folgen dem Typ 117, 119 oder 608.
Beobachtungsstände: Ihrem Zweck entsprechend wurden die Beobachtungsstände natürlich direkt an der Küstenlinie errichtet. Klar. Die Bauplätze wurden so ausgewählt, dass man von ihnen einen besonders breites Sichtfeld über ein erwartetes Gefechtsfeld hat. Man konstruierte 9 unterschiedliche Regelbauten. Viele Versionen verfügen über eine gepanzerte Kuppen, von der aus man sich einen Überblick verschaffen konnte. Im Gegensatz dazu hatten viele Artillerie-Beobachtungsstände nur eine Deckenplatte und Mauerscharte - sie waren also offen und der Beobachter wurde nicht durch eine Panzerkuppel geschützt.
Leitstände für Küstenbatterien: Dieses sind mit Abstand die auffälligsten und spektakulärsten Bauten des Atlantikwalls. Sie wurden im Regelfall mehrstöckig errichtet und viele von ihnen waren hoch aufragende Türme, von denen aus das Feuer der eigenen Batterien gelenkt wurde. Man entwickelte 18 verschiedene Versionen, von denen meist aber immer nur ein oder zwei Exemplare gebaut wurden. Lediglich die Meßstelle für Heeresküstenbatterien ( Regelbau 637) wurde in Frankreich 36x errichtet. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Leitständen für Flakbatterien. Von ihnen gibt es 15 verschiedene Modelle, die häufig in extrem geringer Stückzahl errichtet wurden.
Kampf- und Schartenstände: Diese Bunker waren das eigentliche Herz des West- und Atlantikwalles. Es ist klar, dass diese Bunker zusammen mit den eingangs genannten Mannschaftsunterständen die häufigsten Regelbauten waren, die entlang des Atlantikwalls errichtet wurden. Einige Regeltypen verfügen dabei über Panzerkuppeln für Maschinengewehre. Dabei unterscheidet man, ob sie eine, drei oder sechs Schießscharten haben. Sehr selten wurden sogar Granatwerfer sowie Haubitzen aus anderen Festungsanlagen verbaut oder man setzte bei einer Variante auf die Kuppe des Bunkers einfache einen Panzerturm (Typ 687).
Tarnung der Regelbauten des Atlantikwalls
Der Tarnung der Bunker kam schon beim Westwall große Bedeutung zu. Gleiches gilt natürlich auch für die des Atlantikwalls. Auch hier gab es ein umfassendes Regelwerk, welches sich ausschließlich mit diesem Thema befasste. Die Tarnung der Bunker kam hinsichtlich seiner Bedeutung der Tarnung eines Panzers gleich. In jedem Fall wurde für große Mühe verwendet. Ein großer Teil der zuvor beispielhaft benannten Bauzeiten (siehe Abschnitte zuvor) entfiel auf diese Aufgabe.
Alle zu errichtenden Bunker sollten erdversenkt sein. Das gilt insbesondere für die vielen Widerstandsnester, die direkt an den Stränden positioniert waren. Ihre Bunkerdecke durfte ferner nur maximal einen Meter über dem Geländeniveau liegen. Beides zusammen schützt den Bunker vor Enttarnung auf größerer Distanz und letztlich bei Beschuss durch feindliche Artillerie. Bereits bei der Auswahl möglicher Standorte kam der späteren Tarnung eine große Bedeutung zu.
Problematisch waren die hochaufragenden Bunker – allem voran die Leistände. Sie mussten so gebaut werden, weil man sonst nicht das eigene Artilleriefeuer hätte lenken können. Dumm nur, dass sie somit auch weithin sichtbar waren. Also verwendete man viel Zeit darauf, ihre Außenmauern mittels verschiedener Techniken aufzurauen, damit die Kontur auf die Entfernung etwas verschwindet. Sie sollten sich so besser der Umgebung anpassen.