Das Deutsche Kaiserreich zwischen 1871 - 1918
Das Deutsche Kaiserreich bezeichnet man heute als konstitutionelle Monarchie, bei der es weiterhin einen Kaiser gibt, dessen Macht jedoch durch eine Verfassung eingeschränkt ist. Diese Staatsform ist ein Übergang zwischen einer reinen Monarchie, bei der alle Macht in den Händen des Souverän liegt, und einer Demokratie, bei der die Macht vom Volke ausgeht und von Volksvertretern wahrgenommen wird. Im Kaiserreich gab es also ein gewähltes Parlament, das die Gesetzgebung allein oder in Zusammenarbeit mit dem Kaiser verantwortete. Anders formuliert: Offiziell darf der deutsche Kaiser nicht allein und nach eigenem Gutdünken entscheiden. Das Parlament schränkt seine Handlungsfreiheiten ein - sofern es wirklich einen Kontrapunkt zum Monarchen darstellt. Um dieses aus heutiger Sicht "seltsame Gebilde" zu verstehen, muss man in der Zeit zurückgehen. Die Ideen Französische Revolution mit seiner Parole "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" rüttelte am damaligen Selbstverständnis aller Herrscherdynastien in Europa. Anfangs konnten das Aufbegehren des Volkes unterdrückt werden - irgendwann musste man ihm nachgeben. Die konstitutionelle Monarchie ist eine Reaktion darauf, indem der Schein erweckt wird, dass die Macht des Landesfürsten eingeschränkt wird.
Unabhängig davon gab es in Deutschland seit Mitte des 19. Jahrhunderts starke Bestrebungen, die vielen Fürstentümer und freien Reichsstädte zu vereinigen, um einen Nationalstaat zu formen. Eine weitere wichtige Entwicklung in Europa der damaligen Zeit und ebenfalls eine Folge der Französischen Revolution. Die Idee war, eine (weitgehend) übereinstimmende ethnische Gruppe zu einem gemeinsamen Staat zusammenzuführen. Viele Länder konnten sie während des 19. Jahrhunderts umsetzen oder kämpften dafür (Italien, Belgien oder die Vereinigten Staaten von Amerika). In Deutschland wiederum war die Gründung des Königreichs Italien im Jahr 1861 ein wichtiges Vorbild.