Entwicklung der Sprenggranate
Einleitung
Über Jahrhunderte hinweg spielte die Artillerie auf den Schlachtfeldern eine eher untergeordnete Rolle. Sie diente zur direkten Unterstützung der Infanterie und war dieser angegliedert. Das änderte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts mit der Einführung moderner Hinterladersysteme mit gezogenem Lauf und vielen darauf aufbauenden Entwicklungen. Die Artillerie gewann an Bedeutung und veränderte gleichzeitig den Festungsbau grundlegend. Ende des Jahrhunderts war vielen (aber leider nicht allen) Militärs klar, dass sie künftige Schlachtfelder beherrschen wird. Gleichzeitig entwickelte sich sie zur Hauptbewaffnung moderner Festungen, die nunmehr auf den Fern- bzw. Artilleriekampf ausgerichtet waren.
Verteidigungsmauern jeder Art geben gegen Sprenggranaten schweren Kalibers gar keine Sicherheit mehr.
Unter Umständen werden durch einzelne hinter die Mauer fallende Trümmer so große Teile in den Graben geworfen, dass gangbare Breschen entstehen. Dieses Verhältnis ist um so ungünstiger, je mehr Erde über den Mauern ruht.
Einzelne, in der Nähe des Fundaments detonierende Geschosse können die Mauern zum Einsturz bringen.
Alle Gewölbe bisheriger Stärke und Anordnung werden durch einen oder einzelne Treffer schweren Kalibers durchschlagen.
Durch das Verschütten der Eingänge der Schutzhohlräume und die Verwüstung der Wälle wird es unmöglich, die Infanterie bei eintretendem Sturm schnell zur Hand zu haben.
Durch eine verhältnismäßig kurze Beschießung werden Forts (herkömmlicher Bauweise) für die artilleristische Verteidigung völlig unbrauchbar, so dass selbst leichte Geschütze nicht mehr zu bewegen sind.
Die mit außerordentlicher Gewalt sehr weit fortgeschleuderten Sprengstücke der Granaten gefährden das Innere der beschossenen Werke in seiner ganzen Ausdehnung.
Erste Versuche, Festungen und Festungsartillerie durch Panzerung zu schützen
In Frankreich begann man im Sommer 1886 mit Experimenten, bei denen man das erst kurz zuvor errichtete Fort Malmaison nahe Laon beschoss. Es folgten weitere Versuchte einige Monate später in Bourges und 1888 im Lager Châlons. Sie lieferten wichtige Erkenntnisse über die Wirkung der Granaten und erste Erkenntnisse über den Schutz eigener Festungsartillerie durch Panzerung. Dabei kamen auch Geschütztürme von Bussières und Mougin zum Einsatz.
Auch in Belgien widmete sich General Brialmont 1889 solchen Experimenten, weil er die Dicke künftiger Kasematten-Gewölbe testen wollte. Er stellte unter anderem fest, dass neun bis zu 30 bis 60 Kilogramm Dynamit geladene Granate, die in den Trichter einer ersten, aus 2.500 Metern Entfernung abgefeuerten Granate gelegt wurde, in Ruhe explodieren musste, um die Räume, die von einem Gewölbe aus Zementbeton unbrauchbar machte.
International die höchste Aufmerksamkeit unter Militärs und Festungsbauingenieuren errungen allerdings Tests, die nahe Bukarest ebenfalls von General Brialmont durchgeführt wurden. Er hatte seinerzeit den Auftrag, den neu zu errichtenden Festungsring rund um die Stadt zu planen. Bei diesen Versuchen ging es in erster Linie um den Schutz der Festungsartillerie durch moderne Panzertürme. Im Wettbewerb zueinander standen ein deutsches Modell der Firma Gruson in Magdeburg-Buckau (welches nach Angaben von Maximilian Schuman gefertigt wurde) und ein französisches Modelle der Firma Saint-Charmond (welches nach Plänen Mougins produziert wurde). Die Versuche wurden im Winter 1885-1886 durchgeführt.
Weitere Informationen: Entwicklung erster Panzerfestungen.