Deutsche Panzertürme - der Standard Ende des 19. Jahrhunderts

In den 1880er-Jahren wurden sog. Brisanzgranaten entwickelt - torpedo-ähnliche Geschosse, die mit Explosivmaterial statt Schwarzpulver gefüllt wurden. Ihre Sprengkraft übertraf die herkömmlicher Geschosse um ein Vielfaches. Gleichzeitig entwickelte die Fried. Kupp Kanonen mit Rohren aus gezogenem Stahl, mit denen größere Kaliber möglich waren. All das führte dazu, dass Festungen - selbst die, die just erbaut wurden - auf einen Schlag als veraltet galten. Sie hätten einem solchen Beschuss nicht widerstehen können.

Als Panzerfestungen - im deutschen Kaiserreich nannte man sie "Feste" - bezeichneten man einen neuen Festungstyp, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde.

Impuls dafür war die immer stärker gewordene Artillerie und die enorme Zerstörungskraft neuer Sprenggranaten, die in den 1880er-Jahren entwickelt wurden. Beides machte es notwendig, die Festungsartillerie, die den Fernkampf zu führen hatte und die Hauptbewaffnung der Festungswerke darstellte, besonders zu schützen. Man entwickelte neue Panzertürme aus Stahl. Darüber hinaus wurden bauliche Veränderungen vorgenommen, indem man das Profil neuer Festungen versuchte so niedrig wie möglich zu halten. Armierter Beton wurde als Baumaterial zum Standard und man setzte (seinerzeit) moderne Kommunikationstechnik ein.

Deutsche Panzerfestungen in Elsass-Lothringen

Quelle gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France - Fortification cuirassée et les forteresses au début du XXe siècle

Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France - Fortification cuirassée et les forteresses au début du XXe siècle

Wie schon gesagt: Das Aufkommen moderner Sprenggranaten war für die Festungsbauer ein Schock. Für die Deutschen kam das alles zur Unzeit, denn sie unternehmen gerade riesige Anstrengungen, um die nach dem Deutsch-französischen Krieg 1870/71 annektierten Regionen Elsass und Lothringen mittels neuer Festungen militärisch zu sichern. Innerhalb weniger Jahre entwickelten sie einen komplett neuen Festungstyp und nannten sie "Feste".

Im Gegensatz zu herkömmlichen Befestigungsanlagen, die recht kompakt errichtet wurden, verteilten man hier die einzelnen Infanterie- und Artilleriewerke einer neu zu errichtenden Festung im Gelände, nutzte dabei die natürlichen Gegebenheiten zum Schutz der Werke aus, errichtete sie konsequent aus Stahlbeton und setzte auf Panzertürme zum Schutz der Artillerie und gepanzerte Beobachter - beides aus Stahl. In historischen Bücher wird daher häufig auch von Panzerfortifikationen oder Panzerfestungen gesprochen.

Dieser neue Festungstyp wurde erstmalig bei der Festung Kaiser Wilhelm II. bei Mutzig nahe Straßburg umgesetzt. Es folgten etliche weitere Festungsanlagen vergleichbarer Konzeption bei Metz und Thionville. Diese eigentlich französischen Regionen wurden nämlich nach Ende des Deutsch-französischen Krieges von Deutschland annektiert und man begann seinerzeit direkt mit dem militärischen Ausbau, um sie vor einem Angriff Frankreichs zu schützen.

Empfehlenswerte Literatur zum Thema - externe Links:
- Julius Meyer: Metz durch Panzerfronten verteidigt, 1894
- Zeitschrift Eisen und Stahl: Panzerforts und Panzerfronten, 1894

Standards deutscher Festungsartillerie zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Panzertürme für Haubitzen:

- 15-cm-Haubitzen-Panzerturm Modell 93
- 15-cm-Haubitzen-Panzerturm Modell 95
- 21-cm-Haubitzen-Panzerturm (Modell Gruson)

Panzertürme mit Kanonen:

- 6-cm-Kanone in einem 6-cm-Panzerturm
- 10-cm-Turmkanone mit Panzerturm
- 10-cm-Turmkanone (verstärkt) mit Panzerturm
- 10-cm-Turmkanone (verkürzt) mit Panzerturm
- 2x 15-cm-Ringkanonen in Hartguss-Panzerturm

Gepanzerte Artillerie-Beobachter:

- Panzerbeobachtungsturm Modell 94
- Panzerbeobachtungsturm Modell 96
- leichten Panzerbeobachtungsstand Modell 05

Nach Ende des Deutsch-französischen Krieges annektierte das junge Deutsche Kaiserreich die französische Region Elsass-Lothringen und baute sie militärisch aus, um sie zu sichern. Rund um Straßburg, Metz und Thionville entstanden innerhalb weniger Jahrzehnte wuchtige Festungsringe zur Verteidigung dieser strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkte. Insbesondere um die Eisenbahndrehscheibe Metz entstanden gegen Ende des Jahrhunderts etliche neue Festungen. Historische Quellen sprechen hier häufig von Panzerfestungen, womit man darauf anspielt, dass sie nicht nur einem neuen Festungstypen folgen (der sogenannten Feste - siehe internen Link), sondern dass hier auch moderne Panzertürme zur Verteidigung der Stadt installiert wurden.

Anders als französische Panzertürme waren die der Deutschen allerdings nur dreh- und nicht versenkbar. Die Franzosen setzten auf diese Beweglichkeit zum Schutz der Panzertürme. Das sah man bei den deutschen Pendant als nicht notwendig an, weil die Panzerkuppeln eine Krümmung hatten, die ausreichend Schutz boten. Letzteres ist das Ergebnisse viele Versuche, bei denen diese Panzertürme auf eigenen Schießplätzen unter Artilleriefeuer genommen wurden, um ihre Widerstandsfähigkeit zu testen.

Wo sich Panzertürme befinden, sind gepanzerter Artilleriebeobachter nicht weit entfernt. Eigentlich klar, denn es macht keinen Sinn, die Artillerie "unter Stahl" zu nehmen (um sie zu schützen) und die für die Artillerie notwendigen Beobachter, die letztlich das Feuer leiten, schutzlos zu präsentieren.

Nachfolgend zeige ich die verschiedenen Panzertürme und gepanzerten Beobachter, die Anfang des 19. Jahrhunderts zum Standard wurden.


Konstruktionszeichnungen - Standardbewaffnung deutscher Panzerfestungen im Ersten Weltkrieg


Quelle: Das Gerät der Artillerie vor, in und nach dem Weltkrieg, Alfred Muther / Hermann Schirmer, Verlag Bernard & Graife, Berlin SW 68, 1937

Quelle: Das Gerät der Artillerie vor, in und nach dem Weltkrieg, Alfred Muther / Hermann Schirmer, Verlag Bernard & Graife, Berlin SW 68, 1937
10-cm-Kanone mit Panzerturm *)
15-cm-Haubitze mit Panzerturm *)

Festung

Bildergalerie - Standardbewaffnung deutscher Panzerfestungen im Ersten Weltkrieg


Festung Metz - Feste Prinz Friedrich Karl (frz. Groupe fortifié St. Quentin) - Panzerbatterie
21-cm-Haubitzen-Panzerturm (Modell Gruson)

Dieser wahrlich imposante Panzerturm ist einer von zwei Türmen der Feste Friedrich Karl. Der Stahlkoloss wurde von der Essener Firma Krupp erstellt. Ganz in der Nähe befindet sich auch ein gepanzerter Beobachter - ein seltenes Modell mit einer Drehvorrichtung.

Standort des Panzerturms:
Feste Friedrich-Karl bei Metz.

Festung Metz - deutsche Festungen rund um Metz - 19. - 20. Jahrhundert - www.festungen.info
Panzerturm für eine 10-cm-Turmkanone

Die Feste Kaiserin bei Metz (zweiter Festungsring) verfügt über vier Panzerbatterien mit jeweils drei 10-cm-Kanonen. Einer dieser Türme wird hier gezeigt. Leider befindet er sich heute nicht mehr an seinem ursprünglichen Ort, sondern wurde zur Feste Wagner verbracht. Neben den 10-cm-Kanonen verfügt die Feste Kaiserin ferner über zwei Batterien mit 15-cm-Haubitzen.

Standort des Panzerturms:
Feste Kaiserin bei Metz.

Dort wurde er vor einigen Jahren ausgebaut und befindet sich jetzt in der Feste Wagner.

Panzerturm für eine 10-cm-Turmkanone

Der Werk Sommy der Feste Haeseler ist nicht groß.
Es besteht im Wesentlichen aus einer zentral stehenden Kasematte mit einer 10-cm-Kanonenpanzerbatterie, die zwei Türme hat und unweit davon entfernt einen zentralen Artilleriebeobachter. Man kann ihn auf diesem Bild klein im Hintergrund erkenne (hinten rechts).

Standort des Panzerturms:
Feste Haeseler bei Metz.

Festung

Gepanzerter Wachturm

Dieser gepanzerter Beobachter hat mich ganz besonders fasziniert. Ich fand ihn innerhalb de Feste Obengentringen.

Standort des Observators:
Feste Obergentringen bei Thionville.


Festung Metz - Feste Prinz Friedrich Karl (frz. Groupe fortifié St. Quentin) - Panzerbatterie
Panzerbeobachtungsturm 96

Dieser drehbare Panzerbeobachtungsstand wurde bei Metz meines Wissens nur einmal installiert. Alles in allem wurde er eh in geringer Stückzahl von der Essener Krupp AG produziert. Er war ausgestattet mit mono- und binokularen Meßinstrument. Sie sind natürlich nicht mehr vorhanden.

Standort des Observators:
Feste Friedrich-Karl bei Metz.

Panzerfestung - Feste Wagner - Festung bei Metz
Panzerbeobachtungsstand 05

Standort des Observators:
Feste Wagner.

Festung

Feste Kronprinz - deutsche Panzerfestung bei Metz
Panzerturm für eine 15-cm-Haubitze

Standort des Panzerturms:
Feste Kronprinz.

Feste Wagner - 10-cm-Panzerturm mit der langen Kanone
Panzerturm für eine 10-cm-Kanone Langrohr

Standort des Panzerturms:
Feste Wagner.

Festung Metz - deutsche Festungen rund um Straßburg - 19. - 20. Jahrhundert - www.festungen.info
Panzerturm für eine 15-cm-Haubitze

Einen der 10-cm-Kanonen der Feste Kaiserin habe ich bereits gezeigt. Wie besagt: Auf dem Gelände der Festung befinden sich aber auch zwei Batterien mit jeweils drei 15-cm-Haubitzen. Leider wurden die Rohre schon vor Jahren ausgebaut, so dass nur noch der Panzerturm vorhanden ist.

Standort des Panzerturms:
Feste Kaiserin bei Metz.

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