Mittel zum Erzielen der Sturmfreiheit eines Forts

Der Begriff der "Sturmfreiheit" ist ein Begriff, der schon beim altertümlichen Festungsbau benutzt wurde. Er stammt also noch aus der Zeit der Burgen bzw. aus der Zeit bevor die Feuerwaffen die Schlachtfelder beherrschten. Das Thema war aber auch (noch) im 19. Jahrhundert aktuell.

Im Kern geht es um alle baulichen Maßnahmen und Vorkehrungen, die beim Bau einer Festung getroffen wurden, um den Angreifer einerseits schon beim Anlaufen auf die Festung und dann insbesondere am Eindringen in dieselbe zu hindern. Letzteres bedeutete nämlich meist den Fall des Bollwerks. Selbstredend ist, dass bei permanenten Befestigungen ein höchstes Maß an die Sturmfreiheit gelegt werden musste. Und zweifelsfrei ist auch, dass durch den Einsatz kleinkalibriger Kanonen, moderner Handfeuerwaffen und später auch Maschinengewehren die aktive Verteidigung der Festung im Nahkampf deutlich verbessert werden konnte.

Aber es geht bei der Sturmfreiheit nicht nur um die eingesetzten Waffen, sondern insbesondere auch um bauliche Maßnahmen, um den Feind am Eindringen in die Festung zu hindern. Ein tiefer Graben um die Festung herum war schon lange ein probates Mittel. Neu war, dass man diesen von der Infanterie aus gedeckten Kampfstellungen heraus verteidigen ließ. Angreifende Soldaten, die einmal den Graben einer Festung erreichten, sollten diesen nicht mehr lebend verlassen. Es galt sie um jeden Preis aufzuhalten.

Die Sturmfreiheit betraf bei neuzeitlichen Festungen jedoch nicht nur den Graben, sondern auch die Beschaffenheit des Vorfelds (auch Glacis genannt), wo man Hindernisse positionierte. Und so weiter ...

Maßnahmen zur Sturmfreiheit - Querschnitt durch ein Infanteriewerk

Quelle: Kampf um Festungen - im Auftrage des K. u. K. General-Inspektors der Korps-Offiziersschule. 1912

Um sich einen besseren Überblick über die einzelnen Maßnahmen zur Sicherung der Sturmfreiheit machen zu können, soll der zuvor gezeigte Querschnitt einer Festung dienen. Hierbei handelt es sich nicht um ein Biehler'sches Einheitsfort, sondern um ein viel später errichtetes Infanteriefort. Das ist dem Umstand zu entnehmen, dass beim Bau der Anlage der erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfundene Baustoff Beton verwendet wurde. Gleichwohl kann man das Zusammenspiel der Glacis, des Grabens und der Bestreichungsanlagen dort recht gut erkennen.

Sturmfreiheit - bauliche Merkmale der Biehler'schen Einheitsforts


Der Festungsgraben

Quelle: Leitfaden für den Unterricht in der Befestigungskunst und im Festungskrieg an den Königlichen Kriegsschulen, Berlin, 1884

Sofern nicht natürlich Annäherungshindernisse - wie steile Felsen und Abstürze, Gewässer oder Sümpfe - die die Annäherung des Angreifers in Richtung der Festung nicht behindern, galt es, die Glacis mit Stacheldrahthindernissen unpassierbar zu machen. Diese mündeten in einen wuchtigen Eisenzaun, der wegen seiner Widerharken nicht überwunden werden konnte. Gleichwohl war es möglich, Teile von ihm zu sprengen oder durch die angreifende Artillerie eine Bresche in ihn zu schlagen. Gleich hinter dem Eisenzaun befand sich ein tiefer Graben, der die gesamte Festung umschloss. Er war eines der wichtigsten Elemente zur Erzielung der Sturmfreiheit.

Der Graben war bei den Biehler-Forts im Regelfall 9 Meter breit - erreichte aber auch bei einigen Festungen eine Breite von bis zu 11 Metern. Und er war mindestens 6,5 Meter tief - es gibt Festungen, bei denen er sogar eine Tiefe von 9 Metern hatte.

Der Graben konnte somit nicht überwunden werden. Angreifende Infanterie musste sich auf der einen Seite in ihn begeben, um ihn auf der anderen Seite wieder emporzusteigen. Das war zeitraubend und anstrengend. Und die Angreifer wurden konnten während dieser Zeit von der verteidigenden Infanterie bekämpft werden.

Die Bestreichungsanlagen

Quelle: Artillerieunterricht für die k. u. k. Festungsartillerie, VI. Teil Einrichtung der beständigen Befestigungen. Kuk-Hof- und Staatsdruckerei, 1914

Eine zentrale Rolle zur Sicherung der Sturmfreiheit kam den Bestreichungsanlagen zum Schutz der Gräben zu. Von hier aus konnte die eigene Infanterie in gedeckten Kampfstellungen (also Kampfstellungen mit besonderem baulichen Schutz) eindringende Soldaten mittels Gewehren, kleinkalibrigen Kanonen und später auch Maschinengewehren bekämpfen. Zur Grabensicherung wurden beim Biehler-Fort sogenannte Kaponieren eingesetzt. Das waren besonders widerstandsfähig errichtete Bauten, die in den Graben einspringen und von denen aus man freie Sicht bzw. freies Schussfeld in diesen hatte.

Zentral war die Doppelkaponniere, mit der man den Graben entlang der rechten und linken Front der Biehler-Forts sicherte. Sie waren einstöckig und verfügten über etliche Schießscharten in alle Richtungen.

Die Gräben, die die Flanken der Festung sichern sollten, wurden von zwei weiteren Kaponnieren gesichert. Sie befanden sich jeweils an der rechten und linken Schulter der Festung. Siehe dazu die mit S gekennzeichneten Punkte der beiliegenden Skizze. Last bat not least gab es noch auf der Kehlseite des Fort eine weitere Doppelkaponniere - sie konnte sogar zweistöckig sein, weil das Werk hier am verwundbarsten war.

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Grabenstreiche zur Sicherung der Gräben:

Quelle: Leitfaden für den Unterricht in der Befestigungskunst und im Festungskrieg an den Königlichen Kriegsschulen, Berlin, 1884

Diese Verteidigungsanlage wird häufig auch als Kapitalkoffer bezeichnet.

Grabenstreichen zur Sicherung der rechten und linken Flanke:

Quelle: Leitfaden für den Unterricht in der Befestigungskunst und im Festungskrieg an den Königlichen Kriegsschulen, Berlin, 1884

Diese Verteidigungsanlage wird häufig auch als Schulterkoffer bezeichnet.

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