Neuausrichtung des Festungsbaus nach der Reichsgründung 1871

Das Deutsche Kaiserreich bestand von seiner Reichsgründung im Jahr 1871 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, 1918. Mit seiner Gründung entstand in der Mitte Europas ein neues Machtzentrum mit preußisch-militärischer Prägung und ungeheurem wirtschaftlichen Potenzial. Wilhelm I. war der erste deutsche Kaiser, wobei die Politik jener Zeit stark von seinem Reichskanzler Otto von Bismarck geprägt wurde. Er verfolgte einen auf Zurückhaltung angelegten Kurs.

Das änderte sich unter Kaiser Wilhelm II.. Er wollte Deutschland einen "Platz an der Sonne" verschaffen, was zu Spannungen mit den europäischen Nachbarn führte. Er führte das Kaiserreich auch in den Ersten Weltkrieg und dankte kurz vor der Niederlage ab.

Neuausrichtung des deutschen Festungsbaus in den frühen 1870er-Jahren


1914 - junge deutsche Soldaten fahrend jubelnd zu den Schlachtfeldern in Frankreich | Quelle: Kameraden im Westen - Ein Bericht in 221 Bildern, Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1930

Ein späteres und gutes Beispiel für die Bedeutung der Eisenbahn: 1914 - deutsche Soldaten fahrend jubelnd zu den Schlachtfeldern in Frankreich. Quelle: Kameraden im Westen - Ein Bericht in 221 Bildern, Societäts-Verlag, Frankfurt a.M. 1930

In den 1870er-Jahren begann unter den führenden Militärs Preußens eine Diskussion über den Wert von Festungen und insbesondere die Frage, ob man an der Vielzahl preußischer Festungen festhalten bzw. weitere Festungen errichten sollte. General von Moltke – er war preußischer Generalfeldmarschall, Chef des Generalstabs und galt als einer der bedeutendsten Feldherren jener Zeit – vertrat die Position, dass Festungen durch das Aufblühen des Eisenbahnwesens an Bedeutung verlieren würden.

Festungen wurden also nicht weiter als Depotplätze benötigt, weil Mensch und Material schnell und kostengünstig durch die Eisenbahnen dorthin zu verlegen, wo man sie / es brauchte. Insofern konnte die Anzahl zu unterhaltender Festungen reduziert werden. Siehe auch: Die Kanonenbahn Berlin-Metz, die im Verlauf des Ersten Weltkriegs eine bedeutende Rolle spielte.

Von Moltke vertrat die Ansicht, dass man sich auf die Festungen konzentrieren sollte, deren Sturmfreiheit man auch angesichts der Entwicklung der Artillerie gewährleisten könnte und die im Bedarfsfall als Zentraldepot ausgerüstet werden können. Sie sollten obendrein nahe erwartetet Operationslinien liegen. Diese Position hatte großen Einfluss und der preußische König Wilhelm I. (er wurde später der erste Deutsche Kaiser) verfügte im März 1870 eine Kategorisierung vorhandener Festungen:

  • Welche Festungen können aufgegeben werden?

  • Welche Festungen sind nur gegen gewaltsame Angriffe auszurüsten?

  • Welche Festungen können andererseits geschleift werden?

Die Diskussionen zum Thema und die von Wilhelm I. in Auftrag gegebene Analyse zog sich – nicht zuletzt, weil im Verlauf des Jahres 1870 der deutsch-französische Krieg alle Aufmerksamkeit des Militärs in Anspruch nahm bzw. sich nach seinem Ende durch den Anschluss der französischen Regionen Elsass-Lothringen an das inzwischen gegründete Deutsche Kaiserreich eine neue Sicherheitslage ergab. In dieser Zeit und inspiriert durch die Erfahrungen des Krieges gegen Frankreich wurden vom deutschen Generalstab weitere Grundsätze formuliert, die Einfluss auf die Beantwortung der o.g. Fragen hatten:

  • Die Offensive bleibt die Grundform der Kriegsführung. Die passive Landesbehauptung muss daher hinter dem aktiven Landesschutz zurückstehen.

  • Für die Offensive werden große Teile der Feldarmee benötigt; nur der „Überschuss“ darf durch Festungen in Anspruch genommen werden.

  • Bereitgestellte Gelder sind in erster Linie für die Feldarmeen vorzusehen und erst in zweiter Linie im Festungswesen zu verwenden. Und eine beträchtliche Verminderung fester Plätze ist daher unabwendbar.

Die neue Klassifizierung deutscher Festungen mit Folgen für den künftigen Festungsbau


Festungen, die gegen einen "förmlichen Angriff" ausgerüstet werden und weiterhin eine Stütze der Landesverteidigung sein sollen.

Unter einem „förmlichen Angriff“ verstand man seinerzeit Angriff und Belagerung von Festungen mit schweren, mauerbrechenden Geschützen sowie einem umfangreichen Geschützpark. Heute würde man eher von Festungen ersten Ranges sprechen:

Wesel, Köln, Koblenz, Mainz, Metz, Straßburg, Rastatt, Ulm, Magdeburg, Spandau, Küstrin, Posen, Thorn, Danzig, Königsberg, Glogau und Neiße.

Innerhalb der Gruppe gab es aber eine Besonderheit: Nur wenige Festungen sollten durch einen vollständigen Festungsgürtel vor feindlichem Bombardement geschützt werden: Köln, Metz, Straßburg und Königsberg.

Festungen, die gegen einen „gewaltsamen Angriff“ ausgerüstet werden und ggf. aufgegeben werden können:

Unter einen „gewaltsamen Angriff“ verstand man damals Angriff und Belagerung von Festungen mit leichteren Waffen – in Teilen sogar Handstreich-artige Aktionen mit Handfeuerwaffen und eine die Infanterie begleitende Artillerie:

Bitch, Diedenhofen, Neubreisach, Germersheim, Saarlouis, Sonderburg-Düppel, Marienburg, Boyen, Königstein, Torgau und die Küstenplätze.

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