Neuausrichtung des Festungsbaus nach der Reichsgründung 1871
Welche Festungen können aufgegeben werden?
Welche Festungen sind nur gegen gewaltsame Angriffe auszurüsten?
Welche Festungen können andererseits geschleift werden?
Die Diskussionen zum Thema und die von Wilhelm I. in Auftrag gegebene Analyse zog sich – nicht zuletzt, weil im Verlauf des Jahres 1870 der deutsch-französische Krieg alle Aufmerksamkeit des Militärs in Anspruch nahm bzw. sich nach seinem Ende durch den Anschluss der französischen Regionen Elsass-Lothringen an das inzwischen gegründete Deutsche Kaiserreich eine neue Sicherheitslage ergab. In dieser Zeit und inspiriert durch die Erfahrungen des Krieges gegen Frankreich wurden vom deutschen Generalstab weitere Grundsätze formuliert, die Einfluss auf die Beantwortung der o.g. Fragen hatten:
Die Offensive bleibt die Grundform der Kriegsführung. Die passive Landesbehauptung muss daher hinter dem aktiven Landesschutz zurückstehen.
Für die Offensive werden große Teile der Feldarmee benötigt; nur der „Überschuss“ darf durch Festungen in Anspruch genommen werden.
Bereitgestellte Gelder sind in erster Linie für die Feldarmeen vorzusehen und erst in zweiter Linie im Festungswesen zu verwenden. Und eine beträchtliche Verminderung fester Plätze ist daher unabwendbar.
Festungen, die gegen einen "förmlichen Angriff" ausgerüstet werden und weiterhin eine Stütze der Landesverteidigung sein sollen.
Unter einem „förmlichen Angriff“ verstand man seinerzeit Angriff und Belagerung von Festungen mit schweren, mauerbrechenden Geschützen sowie einem umfangreichen Geschützpark. Heute würde man eher von Festungen ersten Ranges sprechen:
Wesel, Köln, Koblenz, Mainz, Metz, Straßburg, Rastatt, Ulm, Magdeburg, Spandau, Küstrin, Posen, Thorn, Danzig, Königsberg, Glogau und Neiße.
Innerhalb der Gruppe gab es aber eine Besonderheit: Nur wenige Festungen sollten durch einen vollständigen Festungsgürtel vor feindlichem Bombardement geschützt werden: Köln, Metz, Straßburg und Königsberg.
Festungen, die gegen einen „gewaltsamen Angriff“ ausgerüstet werden und ggf. aufgegeben werden können:
Unter einen „gewaltsamen Angriff“ verstand man damals Angriff und Belagerung von Festungen mit leichteren Waffen – in Teilen sogar Handstreich-artige Aktionen mit Handfeuerwaffen und eine die Infanterie begleitende Artillerie:
Bitch, Diedenhofen, Neubreisach, Germersheim, Saarlouis, Sonderburg-Düppel, Marienburg, Boyen, Königstein, Torgau und die Küstenplätze.