Das Biehler'sche Einheitsfort zwischen 1871 - 1890

Kaiser Wilhelm I.
Deutscher Kaiser von 1871 - 1888

Wilhelm I. prägte den deutschen Festungsbaus innerhalb weniger Jahre sehr nachhaltig. Er legte ein umfangreiches Bauprogramm auf, um einerseits die von Frankreich annektierten Regionen Elsass und Lothringen zu schützen und andererseits die Ostgrenze zu Russland militärisch auszubauen. Während seiner Regentschaft wurde das sog. Biehler'sche Einheitsfort entwickelt und mehr als siebzig solcher Festungen entstanden.

Hans Alexis von Biehler - Chef des preußischen Ingenieurskorps (1873-1884)

Hans Alexis von Biehler (1818-1886) war zeitlebens Soldat, preußischer Militäringenieur und zuletzt General der Infanterie. Er trat 1836 ins Militär ein und wurde bereits zwei Jahre später zum Offizier befördert. Die Jahre zwischen 1852/53 verbrachte er in Paris, weil er das Kommando erhielt, die französische Sprache zu erlernen. Später wurde er Oberst. Er nahm während des Deutsch-französischen Krieges 1870/71 als Kommandeur der Ingenieure und Pioniere der I. Armee an Kämpfen teil und wurde 1873 zum Chef des Militäringenieurkorps ernannt. Fortan war er General-Inspekteur des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen. Wegen angeschlagener Gesundheit trat er 1884 aus dem aktiven Dienst aus und verstarb zwei Jahre später.

Während seiner Zeit als General-Inspekteur war er maßgeblich an der Planung der künftigen preußischen Einheitsforts beteiligt. Ihm zu Ehren wurde nicht nur ein Fort bei Mainz nach ihm benannt, sondern man kategorisierte sämtliche Forts jener Zeit noch heute als Biehler-Forts. Sie waren bis in die 1890er-Jahre hinein preußischer Standard bei Bau neuer Festungen. In diesen 20 Jahren entstanden etwas siebzig Festungen dieses Typs. Sie sind rund um Köln zu finden, aber auch bei Straßburg (seinerzeit Reichsland Elsass-Lothringen - also ein Teil des Kaiserreichs) oder rund um Posen, Thorn (heute Polen) beziehungsweise Königsberg (heute Russland). Als besonders charakteristisch gilt heute das Fort Großherzog von Baden bei Straßburg; ein besonders gut erhaltenes Biehler-Fort ist das Fort VI - Prinz Karl bei Katharinenberg, westlich von Ingolstadt.

Wie kam es zur Entwicklung der Biehler-Forts?


(1) Neue Konzepte als Redaktion auf modernere Artillerie

Der Festungsbau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war noch stark geprägt von den Vauban'schen Konzepten (bastionäre Festungen) bzw. in Deutschland (dies gab es zu jener Zeit noch nicht) von den Ideen der altpreußischen Festungsbaumanier. Beide hatten gemeinsam, dass der zu schützende Ort von einer wuchtigen Festungsanlage umgeben wird. Kern war eine Zitadelle. Die Stadt umschloss ein Verteidigungswall. Zentraler Bestandteil dieses waren Bastionen. Bollwerke, die den Befestigungswall verstärkten. Beides zusammen (Wall und Bastionen) wurden nahe der Stadt errichtet, was sich aus der Reichweite der Geschütze ableitete. Vorderlader, mit denen man Eisenkugeln verschoss und eine geringe Reichweite hatten.

Mitte des Jahrhunderts kamen neuartige Geschütze auf: Hinterlader, die eine deutlich höhere Reichweite hatten (siehe: Entwicklung des Festungskriegs). Die Folgen: Die Stadtumwallungen und Bastionen hielten einem Angriff mit moderner Artillerie nicht Stand. Daher mussten sogenannte "feste Plätze" - also Stadtbefestigungen - vollkommen neu konzipiert werden und dem Fortschritt der Artillerie angepasst werden. Der Schutz einer Stadt mit Zitadellen, Wällen und Bastionen galt als veraltet.

(2) Effektive Umsetzung eines gigantischen Festungsbauprogramms

Kaiser Wilhelm I. legte kurz nach seinem Amtsantritt 1871 ein gigantisches Bauprogramm auf. Einerseits galt es, die durch den Deutsch-französischen Krieg neu hinzugewonnenen Regionen Elsass und Lothringen militärisch zu sichern. Die Franzosen hatten kurz vor Ausbruch des Krieges selbst damit begonnen, die wirtschaftlich wichtige Metropole Metz mit neuen Festungen sichern zu wollen. Die Deutschen griffen nun auf diese Baupläne zurück und vollendeten die Bauten. Dabei sollte es aber nicht bleiben - sie errichteten weitere Festungen mit eigenen Bauplänen. Unabhängig davon galt es natürlich auch Straßburg militärisch auszubauen. Die Stadt sollte eine Gürtelfestung werden - umgeben von 14 Festungen und weiteren Zwischenwerken, samt Biehler-Forts.

Gleichzeitig fühlte sich das junge Kaiserreich von Russland und seinem Expansionsdrang auf dem Balkan bedroht. Also galt es, auch die deutsch-russische Grenze zu befestigen. Im Fokus dabei standen strategisch wichtige Städte wie Thorn, Posen und Königsberg.

Kurzum: Es galt in kurzer Zeit eine Vielzahl neuer Festungen zu errichten. Mittels Standardisierung der Baupläne konnten so Bauzeit und -kosten reduziert werden.

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Was kennzeichnet ein Biehler'sches Standardfort?


Zuerst einmal: Ein Biehler-Fort steht nie für sich allein, sondern ist immer ein Teil eines komplexen Festungssystems (Gürtelfestung) zum Schutz strategisch wichtiger Worte. Zentrale Aufgabe eines solchen Forts ist es, einerseits die Stadt vor feindlichem Artilleriebeschuss zu bewahren und andererseits angreifende Truppen bei ihrem Vormarsch auf dieselbige aufzuhalten oder optimalerweise zu stoppen.

Biehler-Forts waren meist Artillerieforts mit offenen Kampfstellungen. Sie hatten die Form einer Lünette, wobei sich die Außenmaße der Festung durchaus unterscheiden konnten. Als Bewaffnung dienten Geschützte unterschiedlichster Kaliber - sie reichen von 80 mm, 90 mm bis hin zu 150 mm. Es handelte sich dabei im Regelfall um Kanonen - also Flachfeuergeschütze, mit denen man den Feind direkt anvisieren und bekämpfen konnte. Das Profil der Biehler-Forts war (im Vergleich zu früheren Festungen) relativ flach gehalten. Es galt das Motto: Je weniger der Angreifer von einem selbst sehen kann, desto schwieriger kann er einen direkt unter Feuer nehmen.

Zentral für den Erhalt der Sturmfreiheit des Forts war des umgebene (trockene) Graben mit den dort installierten Abwehrmaßnahmen. Dort waren Nahkampfwaffen installiert. Es galt gegnerische Grabenübertritte auf jeden Fall zu verhindern. Siehe: Sturmfreiheit des Forts.

Ein Biehler-Fort konnte bis zu 900 Mann aufnehmen, wobei sich die Unterkünfte der Mannschaften auf der Kehl-, also der Rückseite des Forts, konzentrierten. Links und rechts des Zugangs zur Festung, der selbstredend ebenfalls schwer beschützt wurde, befanden sich häufig zweistöckige Wohnkasernen mit wenig bis keinem Komfort. Ein Beispiel: Die Räume hatten keine Fenster, sondern waren vergittert. Zum Schutz vor Wetter und Temperaturen konnte man sie mit Stahlplatten verschließen, die kleine Öffnungen für die Frischluftzufuhr hatten.

Quelle: Wilhelm Reinhardt 1917 - 2006

Quelle: Wilhelm Reinhardt 1917 - 2006
Ein herzliches Dankeschön an Rudolf Reinhardt; er stellte mir dieses Bild des Forts Heinrich von Plauen bei Thorn aus dem Nachlass seines Vaters zur Verfügung. Eine große Bereicherung für meine Homepage.

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Es gab einmal über siebzig Biehler'sche Standardsforts

Das Biehler-Fort galt über ein Jahrzehnt hinweg als Standard des deutschen Festungsbaus. Alles in allem wurden über siebzig Festungen errichtet. In Deutschland wurden viele nach dem Ersten Weltkrieg geschleift. Das überstanden allerdings die Biehler-Festungen rund um Köln, die heute zum Teil museal ausgebaut sind.

In den 1880er-Jahren wurden Städte zu Gürtelfestungen ausgebaut, wobei der Festungsgürtel nur aus Biehler-Forts bestand. Ferner wurden vorhandene Gürtelfestungen durch sie ergänzt: Metz, Küstrin, Spandau, Ulm, Mainz und Magdeburg.

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