Die Entwicklung der neupreußische bzw. neudeutschen Festungsbaumaniser im Verlauf des 19. Jahrhunderts
Ein Merkmal neupreußischer Festungen bzw. seiner Weiterentwicklung dem Biehlerfort ist (im Gegensatz zu altpreußischen Festungen oder Bastionärbefestigungen), dass man durch Wälle alle Werke der Festung der Feindsicht zu entziehen versucht, um möglichst keine Ziele für einen direkten Artilleriebeschuss zu bieten. Deswegen verfügen diese Festungen über ein sehr niedriges Profil. Obendrein waren diese Festungen (meist) als Fünfeck angelegt, so dass sich keine Toten Winkel ergeben.
Polygonal-Befestigung
In Deutschland setzte man bei Neu- oder Ausbau von Festungsanlagen bereits im frühen 19. Jahrhundert auf das Polygonalsystem. Direkt nach Abschluss des Wiener Kongresses im Jahr 1815 begann man, die Grenze zu Frankreich stark zu befestigen und legte etliche Festungsbauprojekte auf. In dieser Zeit entstand die Festung Ehrenbreitstein (wie wir sie heute kennen) zum Schutz der Stadt Koblenz, der neu gegründete Deutsche Bund setzte auf Polygonalfestungen und der erste Verteidigungsring rund um Köln, der vom Königreich Preußen errichtet wurde, folgt diesem Konzept auch.
Festungen dem Polygonalsystem folgend wurden in Deutschland somit schnell zum neuen Standard und man entwickelte sich stetig weiter. Höhepunkt war ab der 1870er-Jahre die Entwicklung des Biehlerschen Einheitsfort.
Der Umriss eines Forts mit polygonalem Grundriss ist der eines Vielecks. In Deutschland favorisierte man später die Form einer Lünette. Man nennt die feindwärts gerichteten Linie Face (oder Front) und die rückwärtigen Linien Kehle. Sie werden verbunden von den beiden Flanken. Das direkte Umfeld einer Festung bezeichnet man als Glacis. Sie sollte optimalerweise ansteigend sein (um einen Sturmlauf feindlicher Einheiten zu erschweren) und keine Hindernisse aufweisen, die entweder die Sicht verdecken oder Angreifenden gute Deckung geben. Von der Face aus ist die Feuerwirkung in erster Linie in das Vorfeld (die Glacis) gerichtet, von den Flanken erfolgt die Feuerwirkung aus den Flanken in die Intervalle und aus der Kehle in den rückwärtigen Raum. Umgeben war eine solche Festung von einem tiefen Graben, der - zusammen mit anderen baulichen Maßnahmen - die Sturmfreiheit gewährleisten soll. Damit sind alle Einrichtungen gemeint, die dazu dienen, Angreifende den Zugang zur Festung mit allen Mitteln zu verwehren.
Gürtelfestungen
Als Gürtelfestung bezeichnet man ein komplexes Verteidigungssystem - bestehend aus mehreren einzelnen Festungsanlagen, die ringförmig um eine zu schützende Stadt errichtet wurden. Zentrale Aufgaben der vorgelagerten, eigenständig agierenden Forts ist es, einerseits die Stadt vor Artilleriebeschuss zu bewahren und andererseits angreifende Verbände mindestens aufzuhalten, optimalerweise sogar zu stoppen.
Der Abstand zwischen der Stadt und den vorgelagerten Festungen wurde von der Reichweite der einsetzbaren Geschütze bestimmt. Über Jahrhunderte hinweg war diese recht kurz; es wurde auf Sicht geschossen und man konnte Ziele in einer Entfernung von maximal 1.500 Meter bekämpfen. Insofern lagen auch die detachierten Forts auf Sicht zur Stadtmauer. Später änderte sich das. Die Reichweite modernerer Geschützte nahm erheblich zu, so dass die vorgelagerten Festungen auch in größerer Distanz zur Stadt zu errichten waren. Diese Entwicklung erklärt auch, warum es Städte gibt, die über mehrere Festungsgürtel verfügen (Köln, Antwerpen).
Die Art und Weise neue Festungen zu errichten hat sich im Verlauf der Jahrhunderte und speziell im Verlauf des 19. Jahrhunderts grundlegend verändert. Preußische Festungsbauingenieure gingen hier früh einen Sonderweg und führten eine komplett neue Festungsbauschule (auch Festungsbaumanier) ein. Das Prinzip einer Gürtelfestung blieb in dieser Zeit allerdings unverändert.