Phasen des Kuk-Festungsbaus im ehemaligen Rajon Tirol

Kriegsschauplatz Tirol

Quelle: Die Kämpfe in den Felsen der Tofana, Autor: Guido Burtscher, Verlag: J.N. Teutsch, 1935 (Seite 16a)

Das war eine verzwickte Situation: Offiziell waren die Monarchien Österreich-Ungarns und Italien im 19. Jahrhundert miteinander verbündet. Sie bildeten mit dem Deutschen Kaiserreich sogar den sog. Dreierbund. Tatsächlich trauten sie sich nicht über den weg und es schwelten Grenzkonflikte, weil weite Landstriche Norditaliens von der Donaumonarchie beansprucht werden (Südtirol und Trentino).

Um ihren Einfluss auch militärisch abzusichern, errichtete Österreich-Ungarn nach 1860 verschiedene Festungen und Pass-Sperren. So entstanden in den 1870er-Jahren beispielsweise zwischen dem Gardasee und der Schweizer Grenze etliche neue Festungswerke. Gegen Ende des Jahrhunderts weitere die K.u.K.-Monarchie seine Bautätigkeit sogar deutlich auch. Jetzt standen Regionen nordwestlich des Gardasees im Fokus. Es galt, die Pässe in den Dolomiten und dem Brentatals zu sichern. Das sich in den letzten Jahrzehnten die Artillerie sprunghaft weiterentwickelte, errichtete man hier moderne Panzerfestungen - schwer gewaffnete Artilleriefestungen, die auf den Fernkampf ausgerichtet waren und deren Festungsartillerie durch moderne Panzertürme geschützt wurden. Die letzten dieser Werke wurden erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts fertiggestellt – kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Im Verlauf des 19. Jahrhundert investierte die Doppelmonarchie Österreich-Ungarns wiederholt in den militärischen Ausbau der sich mit den Jahren verändernden Grenze zu Italien. Ausgangspunkt waren im Wesentlichen die Italienischen Unabhängigkeitskriege, die für die K.u.k.-Monarchie jeweils mit Gebietsverlusten verbunden waren. So ergaben sich zwischen dem Wiener Kongress und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs alles in allem fünf Bauperioden:

Phasen des Kuk-Festungsbaus in Norditalien im Verlauf des 19. Jahrhunderts


Bauphase 1 - in den 1830er-Jahren

Nach Ende der Napoleonischen Kriege zeichneten die Mächtigen Europas während des Wiener Kongresses von 1815 die europäische Landkarte neu. Im heutigen Norditalien bedeutete das für die Donaumonarchie erhebliche Landgewinne:

  • Südtirol und das Trentino gehörten schon vor den Napoleonischen Kriegen zum Einflussgebiet Wiens.

  • Mit Ende des Wiener Kongresses kamen dazu auch Venetien und die Lombardei hinzu. Kurzum: Ab 1815 herrschte Österreich-Ungarn über fast ganz Norditalien.

Obwohl Südtirol und das Trentino keine direkte Grenze zum Königreich Italien hatte, begannen die Österreicher in den 1830er-Jahren mit dem Bau mehrerer Stützpunkte zum Schutz wichtiger Verkehrswege ins Kernland. Drei Beispiele:

  • Franzenfeste (1833-1838) zum Schutz der südlichen Zufahrt des Brennerpasses bzw. der Region nahe Brixen.

  • Es folgte die Straßensperre Nauders (1838-1840), mit der der Reschenpass bewacht wurde.

  • Und man begann 1848 mit dem Ausbau der Doss Trento - einem Festungswerk direkt in der Nähe bzw. westlich oberhalb der Stadt Trient.

Wichtigste Verteidigungsanlagen aus jeder Zeit war jedoch die sogenannte "Quadrilatero" in der Poebene.
Dabei handelt es sich um ein Festungsviereck, welches die Städte Verona, Peschiera del Garda, Mantua und Legnago einschloss - alles Städte in Venetien.

Bauphase 2 - nach 1860

1859 kam es zwischen Österreich-Ungarn und dem Königreich Sardinien-Piemont (mit Frankreich an seiner Seite) zum Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg.

Die Zielsetzung dabei war klar: Viktor Emanuel II. wollte die Donaumonarchie aus den von Italien beanspruchten Gebieten verdrängen. Dieser Krieg wurde im Wesentlichen in der Lombardei, in Venetien und dem Piemont ausgefochten. Das Königreich Sardinien konnte dabei die Lombardei aus dem Machtbereichs Österreich-Ungarns herauslösen. Venetien folgte später. Zunächst wurde 1861 das Königreich Italien ausgerufen, in welches Sardinien-Piemont aufging. Dazu aber gleich mehr - siehe Bauphase 3 ab 1870.

Die Kuk-Monarchie in Wien reagierte auf diesen schweren Verlust mit einem Bauprogramm, um die zum Königreich Italien entstandene Grenze zwischen dem Gardasee und der Schweizer Grenze neu zu sichern.

Beispiele neuer Kuk-Festungen, mit deren bau nach 1860 begonnen wurde, um wichtige Gebirgspässe zu sichern:

  • Straßensperre Gomagio (Sperre Stilfserhoch)

  • Straßensperre Roccetta (Sperre Nontal)

  • Werk Larino (Sperre Lardaro)

  • Werk Danzolino (Sperre Lardaro)

  • Werk Revegler (Sperre Lardaro)

  • Batterie San Nicolo (Festung Riva)

  • Batterie Monte Brione (Festung Riva)

  • Sperre Buco di Vela (Festung Trient)

  • Batterie Doss di Sponde (Festung Trient)

  • Werk Strino (Sperre Tonale)

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Bauphase 3 - zwischen 1870 - 1884

1866 verlor Wien auch den Dritten Italienischen Unab- hängigkeitskrieg - ein herber Verlust für die Kuk-Monarchie, weil sich damit der Machtbereich im heutigen Norditalien erheblich verkleinerte.

  • Diese Niederlage ging einher mit dem Verlust Venetiens. Diese wirtschaftlich wichtige Region gehörte fortan zum Königreich Italien und die Italiener begannen unmittelbar mit dem militärischen Ausbau dieser Region. Bis Ausbruch des Ersten Weltkriegs entstanden hier etliche und sehr moderne Panzerfestungen.

  • Das Trentino mit seinem Knotenunkt Trient sowie Südtirol blieben in österreichischer Hand und wurden zur Grenzregion.

  • So blieb es auch bis zum Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918. Natürlich war das aus Sicht Italiens ein Unding, was u.a. die schweren Kämpfe in dieser Region zwischen 1915-1918 erklärt (siehe Alpenkrieg).

Österreich-Ungarn musste nun den neuen Grenzverlauf zwischen dem Trentino und Venetien militärisch schützen. Also errichtete man Werkgruppen zur Sicherung der Pässe und umgab Trient mit einem Festungsring (u.a. das Werk Colle delle Benne entstand damals).

Bis dahin verfügten alle Kuk-Festungen in Norditalien über offene Geschützbatterien - man positionierte sie also ohne Schutz vor feindlicher Artillerie unter freiem Himmel. Das änderte sich nun.

Es entstanden erste Festungen mit gepanzerten Elementen zum Schutz der Artillerie und Soldaten.

  • Das Werk San Rocca (Festung Trient (erbaut 1880-1884) wurde mit einem Gruson-Panzerturm ausgestattet.

  • Später stattete man das Fort Hensel (Rajon Kärntern) mit Panzertürmen (ebenfalls der deutschen Firma Gruson) und Panzerkasematten aus.

Bauphase 4 - nach 1884

Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Artillerie sprunghaft weiter - mit großem Einfluss auf den Festungsbau. Mit den neuen Hinterladern mit gezogenem Lauf konnte man deutlich weiter schießen und die Treffgenauigkeit wurde enorm verbessert. Anfang der 1880er-Jahre entwickelten man moderne Brisanzgranaten. Das waren torpedoähnliche Geschosse, die man mit Explosivmaterial füllte - mit enormer Auswirkung auf den Festungsbau: Denn auf einmal galten alle bisherige Festungen als veraltet. Sie konnten einem Beschuss mit den neuen Sprenggranaten nicht widerstehen.

Darauf mussten die Festungsbauer Österreich-Ungarns reagieren, was die 4. Bauphase zum Schutz des Rajons Tirol einläutete. Der Fokus lag auf den Dolomitenpässen und dem Brentatal sowie dem Predilpass (Rajon Kärnten).

  • Die neuen Festungen waren recht kompakte, meist mehrstöckige Werke mit starker und gepanzerter Artillerie und Unterkünften für die Infanterie.

  • Als Reaktion auf die neuen Möglichkeiten der Artillerie setzten sie auch den neuen Baustoff Beton ein (als Ersatz für bisher verwendete Bruchsteine, die gemauert wurden).

  • Als Bewaffnung kamen Minimalschartenkanonen zum Einsatz, die durch Panzerscharten geschützt wurden. Und man verbaute erstmals 15-cm-Mörser, die drehbaren Panzerkuppeln installiert wurden.

  • Schwachpunkt der ersten Panzerfestungen war allerdings ihre Höhe. Wegen des felsigen Untergrunds ragten sie mit ihren meist zwei Stockwerken hoch auf, was sich im Verlauf des Ersten Weltkriegs als erhebliche Schwäche darstellte. Sie waren so für feindliche Artillerie ein "dankbares Ziel" und schnell verwundbar.

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Bauphase 5 - nach 1905

Die letzte Bauperiode begann dann 1905. Im Wesentlichen ging es darum, die veralteten und somit militärisch quasi nutzlos gewordenen Festungen durch moderne Werke zu ersetzen/ergänzen.

So wurde beispielsweise der Tonalepass mit fünf modernen Festungen ausgebaut und man sicherte die Hochflächen von Folgaria und Lavarone durch sieben eigenständige Festungsanlagen (siehe u.a.: Werk Sommo, Werk Verle).

Jetzt begann man übrigens auch, die „aufgelöste Bauweise“ zu realisieren. Heißt: Man trennte die Kasematten und Batterieblöcke voneinander. Das diente dem Schutz im Fall eines Volltreffers. Wurde ein Teil der Festung durch Artillerie zerstört, so konnte der andere Teil noch kämpfen. Obendrein wurde das Profil der Festungen flacher, um feindlicher Artillerie weniger Angriffsfläche zu bieten.

Erst kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs begann man konsequenterweise mit dem Bau unterirdischer Werke.

Als Standardbewaffnung dieser Festungen kam eine 10-cm-Haubitze in einem drehbaren Panzerturm zum Einsatz. Bei der Nahverteidigung setzte man auf Maschinengewehre.

Werk Sebastiano

Bauplan einer Kuk-Panzerfestungen zu Beginn des Ersten Weltkriegs - siehe: Kuk-Panzerfestungen.

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