Italienischer Festungsbau im 19. Jahrhundert
Die Geschichte Italiens ist bewegt. Das Land war über Jahrhunderte hinweg Spielball europäischer Fürstenhäuser. Das Italien (so wie wir es heute kennen) entstand letztlich erst mit der Gründung des Königreichs Italien im Jahr 1861.
Meine nachfolgende, schnelle und holzschnittartige Zusammenfassung der Geschichte des Landes beginnt in der Renaissance bzw. dem späten 14. Jahrhundert. Seinerzeit wurde Italien geprägt vom Herzogtum Mailand, dem westlich davon gelegenen Herzogtum Savoyen, den mächtigen Republiken Venedig, Florenz und Genua sowie dem Königreich Neapel und natürlich dem Kirchenstaat. Sie alle waren wohlhabend und betrieben im Mittelmeerraum erfolgreich Handel.
Eine Wende begann 1442 mit der Entdeckung Amerikas: Der den Wohlstand stiftende Handel italienischer Fürstenhäuser bzw. Stadtstaaten verlagerte sich in die Überseekolonien westlichen Staaten. Tiefpunkt der Entwicklung wurde dann im 16.-18. Jahrhundert erreicht. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang geriet Italien in den Fokus anderer Mächte:
Frankreich und Spanien begannen, um die Vorherrschaft zu ringen. Sie überzogen das Land mit Kriegen. Dabei konnte sich Spanien Mailand, Sardinien, Neapel und Sizilien sichern. Mehr als die Hälfte des heutigen Italiens war seinerzeit also in spanischer Hand. Spanien wiederum war eng mit Österreich verbunden – beides waren Linien der Habsburger. Österreich wiederum herrschte über Südtirol und dem Trentino.
Mit dem Ende des spanischen Zweigs der Habsburger begannen die sog. Spanischen Erbfolgekriege zwischen den Österreichern und Frankreich, welches bereits unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV. ein Auge auf italienische Regionen im Nordwesten (Piemont und Ligurien) geworfen hatte. Das Pendel schlug zu Gunsten der Österreicher aus: Sie sicherten sich weite Teile Nord- und Mittelitaliens (Mailand, Neapel, Sardinien). Nicht zu vergessen – Südtirol und das Trentino gehörten eh schon zu Österreich. Heißt: die Habsburger wurden zur vorherrschenden Macht in Italien.
Dann kamen die Napoleonischen Kriegs: 1796/97 unterwarf Bonaparte bei seinen Italienfeldzug weite Teile Italiens, die zuvor von den Österreichern beansprucht wurden. Napoleon gründete Anfang des 19. Jahrhunderts sogar das Königreich Italien, welches natürlich unter französischer Vorherrschaft stand. Der verlustreiche Russlandfeldzug Napoleons, und die verlorene Schlacht bei Waterloo wendete das Blatt in Europa und speziell für Italien. Beim Wiener Kongress von 1815 wurde die Landkarte Europas neu gezeichnet – mit großen Folgen für Italien.
Österreich erhielt zur Lombardei, Südtirol und dem Trentino nun auch noch Venetien – somit war Norditalien (mit Ausnahme des Piemonts) fest in der Hand der Donaumonarchie. Der Kirchenstaat, der zuletzt unter die Räder gekommen war, wurde wieder hergestellt und dem Haus der Savoyen, die lange Zeit im Nordwesten Italiens gegen die Franzosen kämpften, wurde das Piemont, Ligurien und Sardinien zugesprochen (es entstand das Königreich Sardinien-Piemont).
Bekanntlich waren die Anfänge des 19. Jahrhunderts von Unabhängig- keitsbewegungen verschiedener Länder geprägt. In Italien war das nicht anders. Hier nannte man die Nationalbewegung Risorgimento, was sinngemäß 'Wiederherstellung' bedeutet.
Mitte des 19. Jahrhunderts brachte dann einen Wendepunkt in der Geschichte: Mehrere italienische Staaten führten unter der Führung des Hauses der Savoyen (also dem Königreich Sardinien-Piemont) drei Unabhängigkeitskriege gegen Österreich. Der erste Unabhängigkeits- krieg 1848-49 wurde in der Lombardei, Venetien und dem Piemont ausgefochten. Er endete jedoch mit einem Sieg der Österreicher.
Das Blatt wendete sich mit dem zweiten Unabhängigkeitskrieg im Jahr 1859. Die Koalition italienischer Staaten war siegreich, was 1861 zur Gründung des Königreichs Italien unter der Führung von Viktor Emanuel II. führte. Außerdem gewannen die Italiener die Lombardei (bis dahin zu Österreich gehörend) und kurze Zeit später besetzte Sardinien die von den Habsburgern regierte Toskana und Emilia.
Wirklich vereint war Italien allerdings erst nach dem dritten Unabhängigkeitskrieg (1866) und dessen Folge die tatsächliche Einigung Italiens im Jahr 1870 war. Der Krieg dauerte nicht einmal zwei Monate und wurde in der Lombardei und in Venetien ausgetragen. Italien annektierte die Regionen Venetien, Friaul und Mantua. In dem Zusammenhang ist es wichtig zu erinnern, dass Österreich weiterhin die ebenfalls von Italien beanspruchten Regionen Südtirol, Triest und Istrien beanspruchte. Das führte gut ein halbes Jahrhundert später zum Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg - allerdings auf der Seite der Entente.
Siehe:
- Italien - 1843 vor der Unabhängigkeit (wikipedia)
- Italien – 1866-1870 (wikipedia).
Stöbert man in alten Ausgaben des Brockhaus Konversationslexikons findet man in der 14. Auflage von 1891-1895 unter anderem die nebenstehende Karte: Sie zeigt das noch junge Königreich Italien, welches erst 1861 seine Unabhängigkeit erlangte. Und es zeigt die verschiedenen Truppengattungen Italien bzw. wo sie seinerzeit stationiert waren. Auf dem ersten Blick sich ein klarer Schwerpunkt in Norditalien.
Das erklärt sich, wenn man in die jüngere Vergangenheit des Königreichs schaut ober sich gewahr wird, dass die damalige Grenze zu Österreich-Ungarn zwischen der Lombardei bzw. Venetien und Südtirol bzw. dem Trentino verlief. Heißt: Große Teile des heutigen Norden von Italiens waren in der Hand seines nördlichen Nachbarn - der Kuk-Monarchie, die von Wien aus gesteuert wurde. Diese außergewöhnliche Ballung stationierter Truppen in Norditalien und damit einhergehend auch eine Ballung verschiedenster Festungen und Verteidigungsanlagen entstand im Verlauf des 19. Jahrhunderts, wobei man die Geschichte groß in zwei Phasen unterteilen kann, die ich nachfolgend holzschnitartig beschreibe.
Die Mitte des 19. Jahrhunderts wird geprägt von drei Unabhängigkeitskriegen, die italienische Fürstenhäuser unter der Führung des Königs von Sardinien-Piemont gegen Österreich-Ungarn führten, die weite Teile des heutigen Norditaliens für sich beanspruchten. Der erste Krieg (1948-49) wurde in der Lombardei, Venetien und dem Piemont ausgetragen. Aus ihn gingen die Österreicher siegreich hervor. 1859 folgt der zweite Konflikt, den diesmal die Italiener gewannen.
Er hatte 1861 die Gründung des Königreich Italien zu Folge und führte dazu, dass fortan die Lombardei zu Italien gehört. der dritte und letzte Unabhängigkeitskrieg im Jahr 1866 brachte die endgültige Einigung Italiens. Fortan gehörte auch Venetien zum Königreich. Einzig Südtirol und das Trentino zählte noch zum Staatsgebiet der Kuk-Monarchie in Wien, was im Verlauf des Ersten Weltkriegs zu heftigen Kämpfen führte.
Italien war also über Jahrzehnte hinweg mit anderen Dingen befasst als mit der Realisierung neuer Festungsbauprojekte. Insofern begann die zweite Phase des italienischen Festungsbau in diesem Jahrhundert ist nach 1870 und umfasste einerseits wiederum das Piemont, die ligurische Küste und andererseits auch die neu gewonnene Lombardei und Venetien.
Das junge Königreich Italien war in dieser Zeit in einer schwierigen Situation: Im Norden standen die Österreicher, die sich in Südtirol und Venetien hielten und ein riesiges Festungsbauprogramm auflegten, um die ihnen verbliebenen Regionen zu schützen. Im Westen bauten sich mit Frankreich neue Spannungen auf. Der Nachbar hatte erwartet, dass Italien ihm im Deutsch-französischen Krieg 1870/71 zur Seite springt - was er jedoch nicht tat. Auf diese Spannungen reagierte Italien mit dem militärischen Ausbau des Piemont und der wichtigen Mittelmeerhäfen Genua und La Spezia an der ligurischen Küste.
Die dritte Phase des italienischen Festungsbaus im 19. Jahrhunderts begann im Verlauf der 1890er-Jahre und dauerte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, dem Italien 1915 auf der Seite der Alliierten beitrat. Zwischenzeitig hatte die Artillerie enorme Entwicklungssprünge gemacht: Es gab inzwischen Geschütze mit gezogenem Lauf und Sprenggranaten mit enormer Zerstörungskraft. Bisherige Festungen galten als veraltet, was selbstredend auch für die Festungen galt, die Italien bzw. Österreich-Ungarn in den zuvor genannten Phasen errichtete.
Das war die Zeit der modernen Panzerfestungen. Etliche Nationen in Europa bauten sie zum Schutz ihrer Grenzen - so auch das junge Königreich Italien. Im Fokus dabei stand Venetien entlang der Grenze zum Trentino, der von den Österreichern gehalten wurde. In dieser Phase entstanden Festungswerke wie das Fort Campolongo oder das Fort Leone, die im Verlauf des Ersten Weltkriegs hart umkämpft waren.
Weitere Informationen:
- Italienische Panzerfestungen.
- Merkmale italienischer Panzerfestungen.
- Italienische Panzertürme.