Panzertürme deutscher und französischer Festungen

Spätestens mit dem Aufkommen moderner Brisanzgranaten wurde es notwendig, die eigene Festungsartillerie vor der verheerenden Wirkung eines Beschusses mit solchen Sprenggranaten zu schützen. Die Idee war allerdings nicht neu: Bereits während des amerikanischen Bürgerkriegs wurden Kriegsschiffe mit Panzertürmen entwickelt. Später war des der belgische Militäringenieur General Henri Brialmont, der in dem von ihm errichteten Festungsring rund um Antwerpen erste Panzerkuppeln einbauen lies. Das war lange vor dem Aufkommen der eingangs erwähnten Sprenggranaten.

Einen großen Entwicklungsschub verdankt die Entwicklung moderner Panzertürme König Carol I. von Rumänien. Er beauftragte den belgischen Militäringenieur General Henri Bialmont mit dem Bau eines Festungsgürtels rund um Bukarest und dieser wiederum forderte deutsche und französische Produzenten auf, ihre Panzertürme einem „Praxistest“ zu unterziehen. Das hieß nichts anderes, als dass man sie auf einem Schießplatz beschoss, um ihre Widerstandsfähigkeit zu testen. Dieser Wettstreit verlief mit leichten Vorteilen für die Deutschen, wobei Bialmont später von beiden Seiten mehrere Panzertürme bestellte und in den neu errichteten rumänischen Festungen installierte.

Die beiden führenden Nationen beim Bau moderner Panzertürme waren Frankreich und Deutschland. Gleichwohl gab es auch in anderen Ländern Rüstungsschmieden, die gleiches boten. Sie spielten beim Wettlauf besonders effektiver Panzertürme allerdings eine eher untergeordnete Rolle.

Deutsche Panzertürme im 19. Jahrhundert


Quelle: Source gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France >> École d'Application de l'Artillerie et du Génie - Cours de Fortification - Cuirassements (Croquis), 5 Lecons par le Capitaine Tricau

Plan des deutschen Panzerturms beim Testschießen in Bukarest
Quelle: Source gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France

Wie bereits gesagt: In Deutschland und Frankreich gab es mehrere Unternehmen und Ingenieure, die maßgeblich die Entwicklung moderner Panzertürme vorantrieben: Während sich seinerzeit noch Krupp auf die Produktion von Kanonen und anderen Rüstungsgütern konzentrierte, arbeitete Hermann Gruson in Magdeburg zusammen mit dem Militäringenieur Maximilian Schumann an der Entwicklung neuer Panzerkuppeln:

Gruson wer ein deutscher Ingenieur und Unternehmer. Er gründete die legendären Gruson-Werke bei Magdeburg, die lange Zeit zu einem der wichtigsten Rüstungsunternehmen in Deutschland zählten. Die Ursprünge seines Unternehmens lagen allerdings im Schiffsbau. Gruson Passion war die Eisen-Gießerei. Er entwickelte Methoden zur Erhöhung der Festigkeit von Gusseisen; der von ihm entwickelte Hartguss hatte große Bedeutung für die Entwicklung des Maschinenbaus und konnte u.a. auch zur militärischen Panzerung in Form von Panzerplatten eingesetzt werden. Zu seinem Sortiment gehörten allerdings auch sogenannte Hartguss-Granaten mit denen bis dahin gebräuchliche Panzerungen durchschlagen werden konnten.

1860 erhielt Gruson vom preußischen Militär erste und umfangreiche Rüstungsaufträge. Nach und nach weitere sich seine Produktpalette für das Militär aus. Anfangs waren es Lafetten für 21-cm-Geschütze, ab 1873 produzierte er Geschütz-Drehtürme. In dieser Zeit tat er sich auch mit Maximilien Schumann zusammen und beide produzierten ab 1882 die Schumann'sche Panzerlafette. Sie waren denen aus französischer Produktion weit überlegen und wurden zum „Kassenschlager“, indem der sie nicht nur in Deutschland, sondern auch in Belgien, Holland, Österreich und Rumänien verkaufte.

Zur Erprobung dieser fanden immer wieder Tests statt, bei denen man die neuen Entwicklungen heftigem Artilleriebeschuss aussetzte, seine Wirkung dokumentierte und die Ergebnisse in die weitere Arbeit einfließen ließ.

Historische Literatur:
- Gruson'sche Panzerlafetten, 1887
- Gruson'sche Hartgussgeschosse, 1878
- Gruson'sche Schiessversuche, 1875

Festung Metz - Feste Prinz Friedrich Karl (frz. Groupe fortifié St. Quentin) - Panzerbatterie
21-cm-Haubitzen-Panzerturm (Modell Gruson)

Dieser wahrlich imposante Panzerturm ist einer von zwei Türmen der Feste Friedrich Karl. Der Stahlkoloss wurde von der Essener Firma Krupp erstellt. Ganz in der Nähe befindet sich auch ein gepanzerter Beobachter - ein seltenes Modell mit einer Drehvorrichtung.

Standort des Panzerturms:
Feste Friedrich-Karl bei Metz.

Festung Metz - deutsche Festungen rund um Metz - 19. - 20. Jahrhundert - www.festungen.info
Panzerturm für eine 10-cm-Turmkanone

Die Feste Kaiserin bei Metz (zweiter Festungsring) verfügt über vier Panzerbatterien mit jeweils drei 10-cm-Kanonen. Einer dieser Türme wird hier gezeigt. Leider befindet er sich heute nicht mehr an seinem ursprünglichen Ort, sondern wurde zur Feste Wagner verbracht. Neben den 10-cm-Kanonen verfügt die Feste Kaiserin ferner über zwei Batterien mit 15-cm-Haubitzen.

Standort des Panzerturms:
Feste Kaiserin bei Metz.

Dort wurde er vor einigen Jahren ausgebaut und befindet sich jetzt in der Feste Wagner.

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Französische Panzertürme im 19. Jahrhundert


Compagnie des forges et aciéries de la marine et d'Homécourt

Quelle: siehe nächstes Bild

In Frankreich waren es gleich mehrere Hersteller, die die Entwicklungen dort vorantrieben. Allen voran kann man die Compagnie des forges et aciéries de la marine et d'Homécourt mit Sitz in Saint-Chamond nennen. Die 1854 gegründete Schmiede produzierte u.a. Lokomotiven und entwickelte sich schnell zu einem wichtigen Rüstungsgüterproduzenten.

In Frankreich gab es sogar eine „Commission des Cuirassements“, die ab 1874 unter anderem auf dem Schießplatz von Gâvres Tests durchführen ließ. Die ersten Panzertürme aus französischer Produktion entstanden in dieser Zeit – beispielsweise ein Modell, welches man (sicher zu „Werbezwecken“) den Namen des damaligen Leiters der Kommission gab – Capitaine Henri-Louis-Philippe Mougin.

Der gleichnamige Tourelle Mougin war aus Gussstahl gefertigt und verfügte zwei Rohre der 155-mm-Kanone L Modèle 1877. Im Verlauf der kommenden Jahre wurden mehrere dieser Türme in französischen Festungen verbaut, die einerseits von dem o.g. Unternehmen und einem weiteren französischen Waffenproduzenten hergestellt wurde – in dem Fall von der Firma Schneider in Creusot.

Um die Liste französischer Entwicklung zu komplettieren ist auch der später entwickelte Buissière-Panzerturm zu nennen. Er wurde 1888 von Oberstleutnant Bussière entwickelt und von der Sociétés Five-Lille in Zusammenarbeit mit der Société des forges de Châtillon et Commentry gebaut.

Compagnie des forges et aciéries de la marine et d'Homécourt

Compagnie des forges et aciéries de la marine et d'Homécourt | Saint-Chamond - Auszug aus dem Verkaufskatalog | 1900 | externer Link : PDF-Download: Teil (1) | Teil (2) | Quelle: BvD

Deutsche und französische Ingenieure gingen nicht nur bei der Entwicklung neuer Panzertürme gänzlich andere Wege: Gruson - und später Krupp, nachdem man sich die Firma von Hermann Gruson einverleibte, bauten zwei Arten von Panzertürmen. Sie waren dreh- aber nicht versenkbar und konnten entweder eine 100-mm-Kanone tragen oder wurden mit 150-mm-Haubitze bestückt. Andere Modelle wie beispielsweise die frühen Panzertürme von Gruson mit einer 210-mm-Haubitze verschwanden vom Markt. Frankreich wiederum setzte auf dreh- und schwenkbare Panzertürme. Sie werden häufig auch als "Verschwindetürme" bezeichnet. Schlussendlich setzten sich bei den Festungen der Barrière de Fer - Festungen wie Fort Douaumont, die eine wichtige Rolle im Ersten Weltkrieg spielten - die "Galopin-Türme" durch. Es gab mehrere Modolle von ihnen, die mit einem oder zwei Geschützen bewaffent waren:

- Tourelle Galopin de 155 mm R modèle 1907
- Tourelle Galopin de 75 mm R modèle 1905
- Tourelle Galopin de 155 L modèle 1890

Anders war auch, dass die Franzosen spezielle Panzertürme für Maschinengewehre produzierten und diese ebenfalls in ihren Festungen installierten. Hier spielte der Tourelle de mitrailleuses modèle 1899 eine wichtige Rolle. Er wird häufig auch als Buissière-Turm bezeichnet.

Tourelle Galopin de 155 mm R modèle 1907
Tourelle Galopin de 155 mm R modèle 1907


Der Tourelle Galopin de 155 mm R - Modell 1907 ist ein um 360° dreh- und versenkbarer Geschützturm - ausgestattet mit einer Schnellfeuerkanone (deswegen auch das Kürzel R für "raccourci à tir rapide"). Es gibt ihn auch noch in der Variante mit zwei Kanonen. In dem Fall spricht man vom Tourelle de 75 mm R modèle 1905.

Der Turm wurde von Rüstungswerke Schneider & Cie hergestellt und mit knapp 540.000 fr. Franc bepreist. Damit war er etwas günstiger als "sein große Bruder" - der Tourelle Galopin de 155 L.

Die Kuppen dieses Panzerturms hatte eine Deckenstärke von 30 Zentimetern und sein Gewicht belief sich inkl. Kanone auf 120 Tonnen. Das Geschütz konnte Ziele in einer Entfernung von bis zu 7200 Metern bekämpfen.

Alles in allem wurden vom Tourelle Galopin de 155 R acht Exemplare gebaut, von denen man allerdings nur sieben in den Festungen der Barrière de Fer einbaute. Es gab zwar Pläne, weitere zweiundzwanzig Festungen mit ihm auszustatten, aber dazu kam es wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs nicht mehr. Viele dieser Türme wurden im Zweiten Weltkrieg verschrottet. Heute gibt es sie nur noch in folgenden Forts:

- Fort Douaumont (Bild)
- Fort Rozellier
- Fort Moulainviller
- Fort d'Uxegney

Lediglich der zuletzt genannte Turm im Fort Uxegney ist heute noch voll funktionsfähig. Bei Youtube gibt es dazu ein kurzes Video.

Tourelle de mitrailleuses modèle 1899
Tourelle de mitrailleuses modèle 1899


Dieser Maschinengewehrturm wird häufig auch als Bussière-Turm bezeichnet. Mit knapp neunzig verbauten Exemplaren in den Festungen der Barrière de Fer gehörte er quasi zur Standardbewaffnung der Forts. Er kam bei der Nahverteidigung zum Einsatz und wurde entweder mit zwei 8-mm-Hotchkiss-Maschinengewehren ausgestattet (in diesem Fall spricht man von Tourelle de Mitrailleuses GF 3.) oder mit einem Gattling-Maschinengewehr (er wird dann als GF 4 bezeichnet. Beide Varianten verfügten über einen Munitionsvorrat von bis zu 60.000 Schuss.

Der Turm hatte einen Durchmesser von 1,31 Meter und ein Gesamtgewicht von 25 Tonnen. Er verfügte zum Schutz über eine zwölf Zentimeter dicke Stahlplatte und konnte so Granaten bis zu einem Kaliber von 155 mm widerstehen. Wie fast alle französischen Panzertürme ist er um 360° dreh- und natürlich versenkbar. Er wurde in knapp 90 Festungen der Barrière de Fer installiert.

Standort dieses Bussière-Turms:
Ouvrage de Froideterre.

Empfehlenswert:
Im WEB gibt es ein 3D-Modell dieses Turms.

Observatoires cuirassé
Observatoires cuirassé


Die gepanzerten Observatoren waren seinerzeit die Augen der Festung bzw. der Festungsartillerie. Von hier aus wurden Ziele identifiziert und ihre Position lokalisiert. Um die darin befindlichen Soldaten vor feindlichem Beschuss zu schützen, hatte diese 7,5 Tonnen schwere Stahlglocke eine Wandstärke von 25 Zentimetern. Diesen Observator gab es in zwei Ausführungen: Einmal mit einem Durchmesser von 80 Zentimetern und mit einem von einem Meter. Die Soldaten kletterten von unten in die Glocke und verharrten dort auf einem Holzsitz. Die Observatoren dieser Bauart verfügten über drei Sehschlitze mit einem maximalen Sichtwinkel von 240 Grad. Bis 1914 wurden insgesamt 200 Observatoren dieser Art erstellt.

Standort dieses Observators:
Fort Douaumont.


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