Kuk-Festungen: Sperre Lavarone-Folgaria
Sperrgruppe Lavarone-Folgaria
Wie schon gesagt: Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte Südtirol und die Region rund um Trient (Trentino) zu Österreich-Ungarn. Aus Sicht der Donaumonarchie galt es diese Region besonders zu schützen, um weitere Gebietsabtritte an das Königreich Italien zu vermeiden (Lombardei und Venetien). Man ging dabei sogar noch einen Schritt weiter und der Generalstab arbeitete geheime Aufmarsch- und Angriffspläne aus: Die Generäle der Kuk-Monarchie - allen voran Franz Conrad von Hötzendorf, zuletzt Chef des Generalstabs in Wien - erwartete, dass Italien im benachbarten Venetien seine Truppen sammeln würde, um zu einen Schlag einerseits gegen Südtirol und dem Trentino auszuholen und andererseits vielleicht sogar einen Vormarsch in Richtung Wien zu planen. Österreich-Ungarn wollte diese Truppen in Venetien stellen und in einer riesigen Kesselschlacht niederringen.
Ausgehend von diesen Plänen musste die Region modern befestigt werden. Es gab zwar schon eine Reihe erst kurz zuvor errichteter Festungen wie das Werk Colle delle benne (nahe Trient), aber diese galten als veraltet. Gegen 1880 wurden nämlich Spreng- bzw. Brisanzgranaten entwickelt, mit denen man bisher errichtete Festungen (meist gemauert aus Bruchstein und offenen Artilleriestellungen) in kurzer Zeit niederringen konnte. Der österreich-ungarische Generalstab unterteilte fortan seine südliche Grenze zu Italien in mehrere Verteidigungsabschnitte, wobei ich mich hier nur auf die beiden Abschnitte beziehe, die Trient schützen sollten:
Tiroler Westfront, Trient und Franzenfeste: Die Westfront sollte dem Flankenschutz dienen während sich im Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Italien die österreich-ungarischen Truppen zur Offensive gegen Venetien weiter östlich versammeln.
Tiroler Südostfront von der Etsch bis einschließlich der Val Sugana: Hier sollte sich das größte Kontingent österreich-ungarischer Truppen sammeln. Noch zu errichtende Festungswerke sollten einerseits Ausgangspunkt solcher Offensivbewegungen sein und andererseits die Region vor einem Einmarsch italienischer Truppen schützen. Zur Lösung dieser Aufgabe begann man, eine Etsch-Arsa-Sperre, dann Befestigungen auf den Plateaus von Folgeria und Lavarone sowie in der Val Sugana und ihren Begleithöhen zu planen.
Kurzum: Die Hochebenen und Gemeinden rund um Lavarone und Folgeria waren damals ein wichtiger Teil der Planungen. Sie galten als strategisch günstige Ausgangspunkte dieses Vorhabens. Logische Schlussfolgerung all dieser Überlegungen war, hier mehrere und sehr moderne Panzerfestungen zu errichten, die einerseits ein Vordringen italienischer Truppen in Richtung des nahe gelegenen Trient verhindern und andererseits Ausgangspunkt der Aufmarschpläne Österreich-Ungarns waren.
Alles in allem errichtete die Donaumonarchie hier sieben schwere Panzerfestungen und eine Vielzahl kleinerer Stellungen und Batterien. Sie sicherten Straßen und Pässe bzw. konnten mit ihren Geschützen tief in benachbarte Venetien hineinschießen.
Besonderheiten der Kuk-Panzerfestungen der Sperre Lavarone-Folgeria:
Alles in allem errichtete Österreich-Ungarn südöstlich von Trient sieben Panzerfestungen, die zur Werkgruppe Lavarone-Folgeria zusammengefasst wurden. Dabei übernahmen sie viele Neuerungen, die das deutsche Kaiserreich Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte und bei seinen modernen Panzerfestungen rund um Metz umsetzte. Sie entwickelten die Konzepte aber auch weiter, sodass die österreichisch-ungarischen Werke schon einige Neuerungen vorwegnahmen, die man später bei der französischen Maginot-Linie wiederfindet. Kurzum: Es waren für die damalige Zeit hochmoderne Festungen mit enormer Feuerkraft – ausgerichtet auf den Fernkampf und gut gewappnet, wenn es einmal zu Nahkämpfen mit italienischen Truppen kommen sollte.
Alle Festungen der Werkgruppe wurden aus Beton erbaut, jedoch – und das unterschied sie von deutschen Festungen jeder Zeit – nur teilweise armiert. Heißt: Man verzichtete darauf, den Beton zusätzliche Festigkeit durch das Einfügen von Stahl zu verleihen. Das erwies sich während der Artilleriekämpfe mit den Italienern durchaus als Nachteil und führte zu erheblichen Schäden an den Festungswerken.
Ferner errichteten die Österreicher die meisten Festungen der Werkgruppe recht kompakt und verteilten die einzelnen Infanterie- und Artilleriewerke nicht im Gelände (was dieses teilweise aber auch gar nicht zuließ). Das Werk Sommo unterscheidet sich diesbezüglich erheblich von den übrigen Werken. Hier wurden die einzelnen Kasematten nämlich unter Ausnutzung örtlicher Gegebenheiten im Gelände verteilt, was bei einem Artilleriebeschuss einen höheren Schutz bot. Das war für die damalige Zeit sehr modern und erinnert stark an die Ouvrages der später errichteten Maginot-Linie.
Im Grunde handelte es sich um österreich-ungarische Einheitsforts – nur moderner ausgestattet und in Teilen auch schwerer bewaffnet. Hauptbewaffnung der Werke waren deren Panzerung geschützte Artillerie (Panzertürme). Fünf der sieben werke verfügten über vier 10-cm-Haubitzen. Für den Nahkampf standen Maschinengewehre und in Grabenstreichen eingebaute 6-cm-Kanonen zur Verfügung. Hervorzuheben dabei ist die ausgesprochen hohe Zahl der von Panzerkuppeln geschützten Maschinengewehre was ebenfalls an die zwischen den Weltkriegen errichtete Maginot-Linie in Frankreich erinnert.
1915: Schwere Kämpfe um die Sperrgruppe Lavarone-Folgaria
Mit Eintritt des Königreichs Italien im Mai 2015 auf der Seite der Entente bestätigten sich die Erwartungen Österreich-Ungarns. Die Italiener unternahmen die stärksten Anstrengungen gegen die Hochflächen von Folgeria-Lavarone und den dort positionieren Werke. Schon einen Tag nach der Kriegserklärung begann eine sechstägige Beschießung der Lavarone-Gruppe und des Forts Serrada mit 15-cm-Granaten und 28-cm-Geschossen. Infanterieangriffe auf das Frontstück Verle bis Cima di Vezzena konnten von Tiroler Landstürmern und Standschützen aufgehalten werden, wobei die Artillerie der K.u.k.-Festungen sich daran beteiligten. Die italienischen 21-cm-Mörser und 28-cm-Haubitzen vereinigten daraufhin ihr Feuer auf die älteren der sieben Festungen der Werkgruppe Lavarone-Folgeria – nämlich das Werk Lusern und das Werk Verle, die dann abermals im Juni (also nur einen Monat nach der ersten Offensive) unter schweren Beschuss kamen.
Ungeachtet dieser italienischen Angriffe gelang es den Österreichern, die Hauptkampflinie um etwas zwei bis drei Kilometer vorzuverlegen, wodurch auch die Werke Sommo und Sebastiano innerhalb des durch die Infanterie geschützten Raumes zu liegen kamen. Im August 1915 kam es dann zu den erwarteten Gegenbewegungen der Italiener, was abermals mit schwerstem Beschuss der österreichisch-ungarischen Festungswerke verbunden war.
Diese Hin und Her dauerte ging mit kurzen Unterbrechungen bis in den späten Herbst des Jahres 1915 hinein. Der Winter brachte dann die Kämpfe vorerst zum Erliegen. Bis dahin mussten die Festungen der Sperrgruppe Lavarone-Folgeria allerdings bis zu 25.000 Schüsse des Kalibers 21-cm „einstecken“.